Kitaplatz-Mangel

Was Städte jetzt tun sollten

In vielen deutschen Städten ist die Vergabe von freien Plätzen in Kindertagesstätten intransparent und mit erheblichen Kosten für Eltern und Kita-Personal verbunden. Neben dem aktuellen Mangel an Kita-Plätzen führen auch ineffiziente Vergabeverfahren dazu, dass der Mangel größer erscheint, als er tatsächlich ist. Eine Möglichkeit zur flächendeckenden Lösung des Problems wären zentrale Vergabesysteme, die gutes Marktdesign durch den Einsatz von bewährten Algorithmen liefern kann.

Etwa 450 Eltern standen im Mai 2017 Schlange, um sich für einen der 45 Krippen- und 120 Kindergartenplätze einer neuen Kita in Leipzig einzuschreiben. Zeitweise musste die Polizei einschreiten, um zu verhindern, dass die Menschenansammlung den Verkehr lahmlegt. Die Situation in Leipzig ging zwar auf eine fehlerhafte Kommunikation des Kitabetreibers zurück, der einen öffentlichen Anmeldetermin ansetzte, obwohl in Leipzig eigentlich ein Onlineverfahren verwendet wird. Dadurch wurde das Ausmaß eines Problems direkt sichtbar, das sich ansonsten eher im Hintergrund abspielt. Eltern müssen sich oftmals direkt nach der Geburt für eine Vielzahl von Kitas bewerben. Diese Bewerbungen binden Personal bei den Kita-Trägern, das alternativ für eine bessere Kinderbetreuung verwendet werden könnte. Auf Seiten der Eltern führt der langwierige Bewerbungsprozess zu langen Wartezeiten und Planungsunsicherheit bezüglich des Wiedereinstiegs in den Job.

Zentrale Vergabesysteme bieten Lösungen

Online-Plattformen für die Registrierung von Kitaplätzen existieren in Deutschland zwar, wie zum Beispiel das in Leipzig verwendete “Kivan” oder der Nordrhein-Westfalen weit verbreitete “Kita-Navigator”. Allerdings sind diese oft ausschließlich darauf beschränkt, die Anmeldungen zu registrieren und diese an die Träger weiterzuleiten. Nur wenige haben ein dahinterliegendes System, das auf Basis der Ranglisten von Kitas und Eltern berechnet, welche Kita welcher Familie ein Angebot machen sollte. In der Praxis kommt es damit oft zu Problemen, weil Eltern durch Annahme mehrerer Angebote Kitaplätze für andere blockieren oder unattraktive Angebote verfrüht zusagen, um Planungssicherheit zu haben.

In anderen Ländern funktioniert die Verteilung von Bewerbern auf knappe Plätze bereits schneller, transparenter und effizienter. Diese Länder verwenden zentralisierte Algorithmen, bei denen Eltern eine Rangliste mit Präferenzen über Einrichtungen abgeben und umgekehrt. Diese Listen sind privat und werden ausschließlich für den Algorithmus verwendet. Die Anwendung transparenter Vergabekriterien kann Stadt und Einrichtungen dabei vor möglichen Rechtsklagen durch unzufriedene Eltern schützen. Und auch in puncto Effizienz können die Algorithmen überzeugen. In New York zum Beispiel, konnten im Jahr vor der Einführung des neuen, zentralen Zulassungssystems über 30.000 Schüler keiner ihrer angegebenen Wunschschulen zugeordnet werden. Die Einführung des neuen Systems reduzierte diese Zahl um 90% auf nur 3.000 Schüler deren Wünsche nicht berücksichtigt werden konnten. Für 27.000 Schüler konnte die vorher wahrgenommene Knappheit an Plätzen also durch ein effizientes Zuordnungssystem gelöst werden.

Die Trägerautonomie bleibt im zentralen System gewahrt

Ein zentrales Vergabesystem bedeutet keine Einschränkung der “Trägerautonomie”, wie oft im Namen von Kita-Trägern kritisiert wird, da es nicht etwa wie bei “Singlebörsen” einen zentralen Entscheider gibt der eigene Vorstellungen vom Zusammenpassen der Partner hat. Im Gegenteil wird Städten damit lediglich ein Instrument an die Hand gegeben, das es ihnen erlaubt, die Entscheidungen von Kitas und Eltern besser zu koordinieren. Der Übergang von den im Ausland erfolgreich verwendeten zentralen Vergabeverfahren zu den in Deutschland verwendeten Verfahren ist oft fließend. So wird zum Beispiel in Städten wie Castrup-Rauxel, Hagen und Soest ein dezentrales System, basierend auf sogenannten “Kita-Karten” verwendet. Dieses soll Doppelanmeldungen verhindern und lässt sich wie folgt als Algorithmus beschreiben.

  1. Eltern geben ihren Wunschkindergarten und eine Rangfolge weiterer Alternativen auf ihrer Kita-Karte an.
  2. Die Kita-Karte wird nur einmal abgegeben, und zwar in der Wunscheinrichtung.
  3. Falls die jeweilige Wunscheinrichtung keinen Platz mehr frei hat, wird die Karte automatisch an die jeweils nachfolgend genannte Einrichtung weitergeleitet.
  4. Schritt 3. wir dann wiederholt bis die Ranglisten abgearbeitet sind und alle Kinder ein Angebot einer Kita vorliegt.

Verglichen mit einem Software-basierten Verfahren sind solche Karten-Systeme allerdings wesentlich fehleranfälliger und zeitaufwändiger. Zudem werden leider immer wieder Fälle bekannt, in denen Eltern die Karten fälschen, um so mehrere Plätze angeboten zu bekommen.

Beratung bei der Umsetzung ist gefragt

Bei der konkreten Umsetzung eines zentralen Vergabesystems kommt es oft auf Details an. So ist es in einigen Systemen für Eltern strategisch sinnvoll, auf ihrer Rangliste ausschließlich Einrichtungen anzugeben, in denen sie gute Chancen auf einen Platz haben. Das bedeutet aber Nachteile für Eltern, die weniger strategisch denken oder schlechter informiert sind. Des Weiteren führen nicht alle verwendeten Systeme zu einer “stabilen” Zuordnung. Das heißt konkret, dass Eltern eine bessere Kita finden, die sie anstelle einer ihr zugeordneten Familie aufnehmen würde. Hier besteht also Beratungsbedarf. Die ZEW-Forschungsgruppe “Marktdesign” bietet folgende Lösungen für die Umsetzung von zentralen Vergabeverfahren an:

  1. Beratung beim Design von Regeln. Dies umfasst zum Beispiel Quotenregeln, um eine bestimmte Geschlechterverteilung und Altersstruktur für Kitagruppen zu erreichen oder auch eine garantierte gemeinsame Unterbringung von Geschwistern. Das ZEW berät dafür bei der elektronisch unterstützten Erstellung der Ranglisten, die individuell mit den Zielen der Träger abgestimmt werden können.
  2. Entwicklung von Algorithmen. Diese beruhen auf bewährten Lösungen wie dem “Gale-Shapley-Algorithmus” und sind komplementär zu existierenden Online-Plattformen. Die Forschungsgruppe stellt diese auf matchingMarkets.org frei zur Verfügung. Das ZEW berät bei der Umsetzung oder übernimmt diese als unabhängige Drittpartei anhand der vollkommen anonymisierten Ranglisten der einzelnen Träger und der von der Stadt erfassten, anonymisierten Ranglisten der Eltern.
  3. Analyse der Nachfrage von Eltern nach bestimmten Kita-Modellen und Stadtteilen um eine bedarfsgerechte Planung durch Stadt und Jugendamt zu ermöglichen, sowie Evaluierung der Auswirkungen von Vergaberegeln auf den Wiedereinstieg junger Eltern in Beruf und die Zusammensetzung von Kita-Gruppen.

Dieser Beitrag ist zuerst am 30. Juni 2017 auf dem Portal Ökonomenstimme und in den ZEW News erschienen.

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